Homeoffice – Kein Allheilmittel aber ein Baustein auf dem Weg in den ersten Arbeitsmarkt für Menschen mit Behinderung

Arbeit ist ein wichtiger Teil des Lebens. Sie dient nicht nur dem bloßen Broterwerb, sondern liefert Bestätigung, stärkt das Selbstbewusstsein, macht unabhängig und selbstbestimmt. So liefert sie Bestätigung, weil eine Aufgabe zu haben, ein wichtiger Bestandteil der eigenen Identität ist. Mit dem Gefühl einen Beitrag im Rahmen eines größeren Ganzen zu leisten steigt das Selbstbewusstsein. Eigenes Geld zu verdienen macht unabhängig und selbstbestimmt. Ein Job ist aber darüber hinaus auch ein soziales Ereignis. Unterschiedliche Menschen mit verschiedenen Fähigkeiten, Erfahrungen, mit und ohne Behinderung treffen dort aufeinander.

Wer sich das bewusst macht, dem wird schnell klar: Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am Arbeitsleben muss das Ziel sein! Möglichst auf dem ersten Arbeitsmarkt. Nur so kann Inklusion wirklich gelingen.

Ich spreche heute für das „Innovative Netzwerk Wohnen mit Behinderung“, also habe ich mich gefragt, wie kann ein Beitrag im Rahmen des häuslichen Umfeldes aussehen, um Menschen mit Behinderungen den Weg auf den ersten Arbeitsmarkt zu ebnen.

Ein Baustein, kann das Recht auf Homeoffice für Menschen mit Behinderung sein. Ich spreche hier aus eigener Erfahrung. Denn ich habe eine spastische linksseitige Hemiparese. Es gibt Episoden in meinem Leben, in denen mir aufgrund einschießender Spasmen der Weg zum und das Arbeiten am Arbeitsplatz im Betrieb zu beschwerlich sind. Die Möglichkeit im Homeoffice zu arbeiten ist eine Win-Win-Situation. Ich kann meine Arbeitsleistung erbringen und muss mich nicht allein aufgrund meiner Immobilität krankschreiben lassen. Nur um das klarzustellen, wer akut krank ist, soll sich natürlich krankschreiben lassen können. Das ich aber durch das Homeoffice nicht darauf angewiesen bin, immer mobil zu sein, ist sowohl für mich, als auch für meinen Arbeitgeber gut. Gerade für mobilitätseingeschränkte Menschen ist also das Homeoffice ein geeigneter Baustein, um auf dem ersten Arbeitsmarkt bestehen zu können. Das Homeoffice bietet zudem die Möglichkeit den Arbeitsplatz noch besser auf die individuellen Bedürfnisse des Arbeitnehmenden mit Behinderung anzupassen, als dies manchmal im Betrieb möglich ist. Die technischen Möglichkeiten, also bspw. vom Arbeitsplatz zu Hause auf die Daten im Betrieb zuzugreifen, sind mittlerweile sehr ausgereift und stellen keine große Hürde mehr da.

Aber und das ist ein großes „aber“, der Arbeitsplatz in der eigenen Häuslichkeit kann nicht das Allheilmittel sein, um Menschen mit Behinderungen den Zugang zum ersten Arbeitsmarkt zu ermöglichen! Das Recht auf Homeoffice darf nicht zur Pflicht werden. Betriebe dürfen nicht aus der Verantwortung entlassen werden in den Betrieben selbst barrierefreie und auf die individuellen Bedürfnisse des Arbeitnehmenden mit Behinderung angepasste Arbeitsplätze zu schaffen. Wie Eingangs schon gesagt, Arbeit ist auch ein soziales Ereignis. Den Austausch mit den Kolleg*innen kann das Homeoffice nur sehr bedingt ermöglichen. Videokonferenzen sind dafür sicher ein Hilfsmittel, ersetzen aber nicht den Plausch beim Kaffee im Pausenraum. Durch fehlende Präsenz im Betrieb entstehen außerdem Informationsdefizite, es ist schwieriger direkte und schnelle Absprachen zu treffen oder im Team zu arbeiten. Generell findet eine Entgrenzung der Arbeitszeit statt, was auf Dauer zu einer mentalen Belastung werden kann.

Die Möglichkeiten, die auch das Sozialgesetzbuch zur Einrichtung eines Arbeitsplatzes im Homeoffice bietet, sollten nichtsdestotrotz bei Bedarf genutzt werden. Menschen mit Behinderung müssen über die Möglichkeit des Arbeitens von zu Hause informiert werden.

Zur ganzen Wahrheit gehört aber auch, dass zu einem barrierefreien Arbeitsplatz zu Hause auch eine barrierefreie Wohnung gehört. Bezahlbare, barrierefreie, adäquate Wohnungen für Menschen mit Behinderung in Leipzig sind aber Mangelware. Dieses Problem muss strukturell angegangen werden. Denn der Bedarf wird, auch angesichts einer immer älter werdenden Gesellschaft, steigen.

Wohnen müssen alle – arbeiten wollen alle – machen wir es möglich!